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Ausbildung

Grundschul-DX

Ein Beitrag im wöchentlichen Ham Nation Video Podcast machte mich aufmerksam auf die Amateurfunk-Aktivitäten der Dorothy Grant Elementary School in Fontana, Kalifornien, westlich von Los Angeles gelegen. Der Clou: hier wird Amateurfunk nicht nur genutzt, um die Schülerinnen und Schüler zu besonderen Leistungen in den „MINT“-Fächern (vor allem Mathematik) zu motivieren, sondern auch als tollen Motivator in Geographie und Sozialkunde.

Was für eine wunderbare Idee.

Zu verdanken haben die Kinder dies einer sehr engagierten Lehrerin, Bev Matheson, KJ6RSX, einer ganzen Riege vor allem älterer Funkamateure, die das Ganze technisch unterstützen, und einer Reihe von großzügigen Spenden, von denen deutsche Schulstationen sicher nur träumen können – neueste Icom-Transceiver, eine Alpha 78 PA, einen Gittermast, einen Kurzwellen-Beam … das Ziel der Amateurfunkaktivitäten ist DX!

Denn DX bringt die Welt näher. Daher streben die Schüler nicht nur die amerikanische „Technician“-Lizenz an, sondern die „General“ mit signifikant besseren Privilegien auf Kurzwelle. Verbindungen zu Funkamateuren in aller Welt bringen Verständnis für andere Sprachen, andere Kulturen. Die Kinder verorten den Standort der Gegenstation auf einer Karte. Die Verwendung des Buchstabier-Alphabets stärkt Rechtschreibfähigkeiten. Als besonderen Clou entwerfen die Kinder in Ms. Mathesons Klasse jedes Jahr eine neue Fahne, die fernreisenden Funkamateuren und DX-Peditionären mitgegeben und jeweils vor Ort in fremden Ländern vor Sehenswürdigkeiten abgelichtet wird.

Sehr zu empfehlen: die Website von K6DGE.

Die Frage ist durchaus berechtigt – warum Amateurfunk? Sind weltweite Kontakte nicht für Kinder des Internet-Zeitalters völlig selbstverständlich? Warum nicht per Skype?

Zum einen: Kinder und Teenager nutzen das Internet überwiegend nicht, um internationale Kontakte zu pflegen, auch wenn sie das könnten. Sie nutzen das Internet vor allem, um mit ihren Freunden aus der realen Welt zu kommunizieren, auch wenn wir Erwachsenen das eventuell anders wahrnehmen. Wer’s nicht glaubt, dem sei Danah Boyd’s hervorragendes Buch It’s complicated empfohlen, das es sogar kostenlos zum Download gibt. Das Argument, wir hätten nur deshalb keinen Nachwuchs im Amateurfunk mehr, weil ja die weltweite Kommunikation für die heutige Jugend so etwas Selbstverständliches ist, steht auf ziemlich wackligen Beinen.

Dann fehlt das Überraschungsmoment des CQ-Rufs. Ich für meinen Teil reagiere nicht auf „Freund-Anfragen“ auf Facebook, LinkedIn oder wo auch immer von Menschen, die ich nicht kenne. Und bei Skype habe ich Anrufe von Leuten von vorn herein unterdrückt, die nicht in meiner Kontaktliste stehen. Der Amateurfunk ist das einzige Medium, das ich kenne, bei denen die Kontaktaufnahme mit Wildfremden nicht nur geduldet, sondern sogar ausdrücklich erwünscht und Teil unserer Tradition ist.

Ein weiterer Vorteil des Amateurfunks gegenüber dem Internet: die räumliche Dimension wird intuitiv erfahrbar. Gerade die Qualitätseinschränkungen unseres noch immer weitgehend analogen Funkdienstes macht deutlich, dass wir mit jemandem auf einem anderen Kontinent kommunizieren – und das mit einem technischen System, dessen Komplexität auch jüngere Schüler schon erfassen können, vor allem, wenn sie daran mitgebaut haben. Das kann das Internet nicht toppen.

Ein toller Ansatz und sicher auch in Deutschland nachzuahmen.

 

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